„Ein Virus im Dorf“ – Magdalena Vögel berichtet … (Bericht #8)

Mit dem Ähle kuscheln – bitte warten….

 

„Ein Virus hat unser aller Leben verändert. Die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Ausbreitung getroffen wurden, bestimmen nun unseren Alltag. Jede Person macht ihre eigenen Erfahrungen – Erfahrungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

 

In Zusammenarbeit mit Georg Sutterlüty haben wir ein Projekt gestartet. Wir wollen wissen, wie Eggerinnen und Egger (sowie einzelne BregenzerwälderInnen umliegender Gemeinden) mit der Krise umgehen: Was hat sich in ihrem Leben verändert, welche Herausforderungen gibt es und was erhoffen sie sich nach Beendigung dieser schwierigen Phase? Wir haben ganz kunterbunt nach Personen gesucht, die bereit sind, ihre persönliche Geschichte zu schildern. Wir beginnen mit dem ersten Bericht und wollen jeden zweiten Tag den nächsten veröffentlichen.

 

Bereits veröffentliche Berichte werden von uns ins Archiv verschoben, sind aber weiterhin hier für euch verlinkt:

 

Bericht 7: Samuel Schwärzler (27), und Vize-Obmann des FC Egg, Rain

Bericht 6: Friedl Kaufmann, Pfarrer von Egg und Großdorf

Bericht 5: Jürgen Zengerle (29), Krankenpfleger in KH Dornbirn, Hof

Bericht 4: Lisa Schmidinger (28 Jahre), Krankenpflegerin, Wohnort Schmarütte

Bericht 3: Wilhelm Sutterlüty (63), Geschäftsführer Sozialzentrum Egg, Schmarütte

Bericht 2: Marcel Simma , Schüler der HTL Dornbirn, Stadel

Bericht 1: Brigitte Bereuter (40), Gemeindeangestellte, Mutter und Hausfrau, Rain

 

Kommentare sind erwünscht, doch bitten wir aus Rücksicht auf die Autoren, den vollen Namen sowie den Weiler, in dem ihr wohnt, anzugeben.“

 

Bericht 8: Magdalena Vögel – Mit dem Ähle kuscheln – bitte warten….

Wie bei fast allen, hat das Corona-Virus auch mein Leben – und das meiner Familie – ordentlich durcheinander gewirbelt. Ich könnte darüber berichten, wie sehr ich die sozialen Kontakte vermisse, die praktisch auf Null heruntergefahren sind. Darüber, wie herausfordernd es als berufstätige Mama zweier Kinder ist, die Arbeitszeiten im Home-Office unterzubringen und den Kindern dennoch gerecht zu werden. Und wie sehr die Ungewissheit über die Zukunft mich beunruhigt.

 

Ich könnte aber auch über meine neu entdeckten und zugegebenermaßen völlig unerwarteten, hausfraulichen Qualitäten schreiben (Brotbacken und Einwecken inklusive). Über die Entschleunigung in unserem sonst sehr durchgeplanten Leben. Wie überraschend einfach es ist, nur mehr alle 10 Tage einzukaufen. Und darüber, wie unendlich viel zusätzliche Qualitätszeit wir für unsere Familie gewonnen haben.

 

Was mich im Moment aber besonders beschäftigt, ist unsere Familienkonstellation, die durch das Virus ordentlich aus den Fugen geraten ist. Wir wohnen in einem Mehr-Generationen-Haus gemeinsam mit meinen Eltern. Unsere Kinder sind mit dem Selbstverständnis aufgewachsen, jederzeit zu ihren Großeltern in den unteren Stock gehen zu können und haben das auch immer ordentlich ausgenutzt. Oft mehrmals täglich holen sie sich dort alles ab, was das Enkel-Herz begehrt: Kuschel- und Vorleseeinheiten, Spielideen und natürlich auch das eine oder andere „Guta“. Oft sind es nur wenige Minuten, die sie unten sind – das aber mit der größten Selbstverständlichkeit.

 

Seit Corona auch bei uns angekommen ist, versuchen wir natürlich die Kontakte zu meinen Eltern zu minimieren. Sie gehören beide (altersbedingt) zur Risikogruppe. Ich übernehme für sie Einkäufe und unaufschiebbare Besorgungen, frage nicht mehr um Babysitter-Dienste. Das alles ist überhaupt kein Problem und lässt sich sehr einfach organisieren. Worunter unsere Kinder – und ich denke auch meine Eltern – aber wirklich leiden, ist der unterbrochene Kontakt. Unsere Tochter Madita akzeptiert das recht gut. Sie ist 5 Jahre alt und versteht schon (zumindest halbwegs), worum es geht. Ihr 2-jähriger Bruder Aaron hingegen begreift gar nicht, was geschieht. Er weint oft bitterlich, weil er zum Ähne hinunter möchte. Er rennt begeistert zu ihm, wenn wir draußen sind und mein Vater vom Spazieren kommt, und ist untröstlich, wenn ich ihm sage, dass er nicht zu ihm darf. Er will zum Ähle kuscheln und wird von mir sofort abgefangen. Mittlerweile ist er manchmal regelrecht verstört deswegen.
Ich glaube, meine Eltern leiden mindestens genauso darunter wie er. Auch darunter, dass sie ihre vier anderen Enkel nicht mehr sehen.
Manchmal frage ich mich, ob es das alles wert ist. Ob es wirklich nötig ist, unsere Kinder so von meinen Eltern zu separieren. Mein Mann und ich haben das öfter diskutiert – aber im Endeffekt wollen wir uns selber nichts vorwerfen müssen, falls meine Eltern doch erkranken würden.

 

Wenn ich an das Ende der Krise denke, hoffe ich natürlich in erster Linie, dass wir alle gesund bleiben. Ich hoffe, dass wir es schaffen, uns auch weiterhin als Familie mehr Qualitätszeit zu nehmen als bisher. Dass wir uns die Dankbarkeit über die schöne Gegend bewahren, in der wir leben und in der wir diese Zeit mit unseren Kindern eigentlich gut überbrücken können und – trotz Abstand – so viel soziale Nähe und Nachbarschaft erleben.

Magdalena Vögel (36), Personalentwicklerin und Mama, Schwarzenberg

Deine Meinung

  1. Dein Bericht hat in mir Kindheitserinnerungen geweckt. Ich hätte es wohl auch nicht verstanden, wenn ich von heute auf morgen mein Säle nicht mehr besuchen hätte dürfen.