„Ein Virus im Dorf“ – Marcel Simma berichtet …

„Ein Virus hat unser aller Leben verändert. Die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Ausbreitung getroffen wurden, bestimmen nun unseren Alltag. Jede Person macht ihre eigenen Erfahrungen – Erfahrungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

 

In Zusammenarbeit mit Georg Sutterlüty haben wir ein Projekt gestartet. Wir wollen wissen, wie Eggerinnen und Egger (sowie einzelne BregenzerwälderInnen umliegender Gemeinden) mit der Krise umgehen: Was hat sich in ihrem Leben verändert, welche Herausforderungen gibt es und was erhoffen sie sich nach Beendigung dieser schwierigen Phase? Wir haben ganz kunterbunt nach Personen gesucht, die bereit sind, ihre persönliche Geschichte zu schildern. Wir beginnen mit dem ersten Bericht und wollen jeden zweiten Tag den nächsten veröffentlichen.

 

Bereits veröffentliche Berichte werden von uns ins Archiv verschoben, sind aber weiterhin hier für euch verlinkt:

 

Bericht 1: Brigitte Bereuter (40), Gemeindeangestellte, Mutter und Hausfrau, Rain

 

Kommentare sind erwünscht, doch bitten wir aus Rücksicht auf die Autoren, den vollen Namen sowie den Weiler, in dem ihr wohnt, anzugeben.“

 

Bericht 2: Marcel Simma
Home-Office Schule. Keine schlechte Sache…

 

Als vor zwei Wochen Bundeskanzler Sebastian Kurz die bundesweite Schließung aller höheren Schulen angekündigt hatte, dachte ich nur eines: Endlich mehr Freizeit! Doch der Alltag eines HTL- Schülers im vierten Jahrgang sollte sich doch in eine komplett andere Richtung entwickeln.

 

Es ist 8:00 morgens, ich stehe auf. Währenddessen mein Computer hochfährt, hole ich mir eine Tasse Kaffee aus der Küche. Die Anzahl an Arbeitsaufträgen in Microsoft Teams kann ich zu diesem Zeitpunkt nur erahnen. Oft ist es so, dass zwischen der vorgesehenen und der tatsächlichen Bearbeitungsdauer der Faktor 2-3 liegt. Ich brauche meist die doppelte oder mehr Zeit wie vom Lehrer vorgesehen, um eine Aufgabe zu erledigen. Dies geht nicht nur mir so, sondern auch meinen Mitschülern. Es hat den Anschein, dass einige Lehrer bei der Erstellung der Arbeitsaufträge zuvor den Lehrplan gelesen haben und wohl festgestellt haben, dass sie uns in diesem Schuljahr bisher viel zu wenig beigebracht haben. Dementsprechend umfangreich sind die Arbeitsaufträge.

 

Die Professoren haben aber auch Lob verdient: Einige stellen zum Teil sehr unterhaltsame Videos online, in denen sie uns den Unterrichtsstoff erklären. Darunter Fitnessvideos von unserm Sportlehrer. Er wollte, dass wir uns beim Nachmachen der Übungen filmen. Dies stieß hingegen auf wenig Begeisterung. Wie dem auch sei, fast alle Lehrer bemühen sich innerhalb von wenigen Stunden bis Tagen auf unsere Fragen zu reagieren und geben uns detailliertes Feedback zu unseren Abgaben.

 

Wenn man nach zehn Stunden einen Arbeitsauftrag, der laut Lehrmeister nur vier Stunden dauern sollte, fertiggestellt hat, hat man die Gewissheit, dass leider doch nicht mehr Zeit für private Projekte bleibt. Da ich plane, eines Tages die Matura zu erwerben, werde ich weiterhin brav meiner schulischen Arbeit nachgehen. Dann müssen die Webseiten eben bis zu den Osterferien warten. Schule geht schließlich vor.

 

Auch wenn viele Aufgaben langwierig und zäh sind, ist meine Motivation dennoch größer, diese zu erledigen als in der Schule. Vielleicht liegt es daran, dass man sich die Aufgaben flexibel einteilen kann. Vielleicht liegt es an den Pausen. Während man sich früher durch den Ameisenhaufen der Schule kämpfen musste, muss ich heute weder Stau auf dem Gang noch eine riesige Schülertraube vor dem Kaffeeautomaten befürchten. Endlich haben „Unterrichtspausen“ einen entspannenden Charakter. Vielleicht liegt es auch an der Verpflegung. Schließlich kann ich mich jetzt jeden Tag von der Kantine „Mama“ bekochen lassen – und wie Studien belegen: Gutes Essen führt zu guter Laune.

 

Auch die täglich anderthalb Stunden dauernde Busfahrt und das Schleppen von Schulbüchern vermisse ich nicht. Da zuhause Essen und Verpflegung gratis sind, ist mein Geldbeutel derzeit überraschend voll. Vielleicht lag es auch daran, dass ich abends nicht fortgehen konnte. Das ist aber auch die Kehrseite der Medaille: Es wurden viele Veranstaltungen, an denen ich teilgenommen hätte, darunter das Bundesfinale des Europaquiz sowie einige Workshops, abgesagt. Internet sei Lob und Dank, über Discord kann man sich mit seinen Freunden in bester Gesellschaft wissen. (Sofern die Bambusleitungen im Bregenzerwald nicht überlastet sind)

 

Auch wenn sich meine persönliche Situation nicht verschlechtert hat, bin ich dennoch über die Zukunft unseres Landes besorgt. Es gibt Anzeichen, dass das Coronavirus nur der Beginn einer länger andauernden Krise ist. Aber für den Moment bleibt zu hoffen, dass wir alle gesund bleiben.

 

Marcel Simma , Schüler der HTL Dornbirn, Stadel

Deine Meinung