Eggerin auf der Alm – ohne Wasser und Strom

Rosa Simma lebt jeden Sommer ohne Wasser und ohne Strom auf einer Alm im Bregenzerwald. Jedes Jahr im Frühjahr zieht Rosa Simma von Egg im Bregenzerwald ins Vorsäß nach Hammeratsberg. Es ist ein hartes Leben. Die Älplerin kann sich nichts Besseres vorstellen.

 

„Ich bin die Simma Rosa. Ich komme ursprünglich vom Vorderen Bregenzerwald und habe der Liebe wegen nach Egg geheiratet. Ende Mai bis Anfang Juli ziehen wir herauf nach Hammeratsberg in unser Vorsäß mit den Kühen. Da bleiben wir einen Monat, bis das Gras abgefressen ist, und dann geht es eine Station höher auf die Hochalp, wo wir zehn Wochen bleiben.

 

Die Milch von den Kühen wird hier im Vorsäß in der nahegelegenen Sennerei verarbeitet, zu Butter und Käse. Der Käse bleibt übers Jahr liegen, wird hier gepflegt und verkauft. Wir haben einen Kühlschrank vor der Sennerei. Wir sind hier in der Stube, wo wir heizen. Das ist der gemütliche Teil. Nebenan ist die Küche, von dort gehen die Stufen rauf, wo wir schlafen. Im Mai kann es manchmal noch recht frisch sein, dann ziehen wir uns Socken zum Schlafen an. Das Klo ist ein Plumpsklo, es gibt hier kein Wasser und keinen Strom.

 

Die meiste Zeit sind wir aber sowieso draußen, bei der Arbeit im Stall oder unten zum Heuen, und am Abend kommen wir dann wieder her, damit wir die Kühe wieder versorgen können. Ich habe Glück und kann tagsüber sehr viel hier sein. Ich betreue die Sennerei, jeden Tag gibt es Sennsuppe. Das kennen sicher die wenigsten, das ist der Rückstand vom Käse. Ist sehr gut und sehr gesund.

 

Das Sofa, auf dem ich sitze, haben wir von der Stube im Tal mit heraufgenommen, damit es hier auch noch seinen Dienst tun kann. Unten haben wir uns ein neues angeschafft. Die Decke hat meine Oma gemacht. Sie passt sehr gut auf das Sofa, und viele Leute haben gesagt, das ist ein Prachtstück, das so gut in diese Stube passt. Sie hat sehr viele Socken gestrickt, für Kinder und Enkelkinder, und aus den Resten hat sie uns die Decke gehäkelt. Wie es ihr gerade in die Hände gefallen ist, deshalb ist die Decke so bunt geworden.

 

Wir haben sechs Kühe, eine junge, die kriegt heuer im Winter das erste Kälbchen, und ein ganz kleines, hinten im Stall. Im Winter haben wir außerdem noch fünf Ziegen vom Nachbarn. Der Nachbar hat selbst keinen Stall, und wir haben so viel Platz.

 

Das Sticktuch an der Wand hat meine Uroma gestickt und genäht. Der Spruch ‚Oftmals wollt ich schon verzagen und ich dacht, ich trüg es nie. Und ich hab es doch getragen, aber frag mich nur nicht wie‘ sagt mir zu. Ganz am Anfang musste man sich schon daran gewöhnen, keinen Strom und kein Wasser in der Hütte zu haben. Aber ich habe es ertragen. Es sind 36 Jahre, in denen ich mit heraufgehe mit meinem Mann und damals sogar mit den kleinen Kindern. Die gingen sogar von hier zur Schule, hinunter nach Egg, und am Abend sind sie mit meinem Mann wieder hochgefahren.

 

Ich habe ein Faible für die englischen Royals. Diese Leute mag ich. Queen Elizabeth II hatte auch kein leichtes Leben und musste sicher vieles tragen. Sie hätte diesem Spruch zugestimmt. Es sind Menschen wie wir. Nur müssen sie sich immer gut benehmen, sie können sich nicht einfach gehen lassen. Auf Schritt und Tritt werden sie verfolgt. Das ist sicher nicht leicht.

 

Mein Mann ist jetzt unten und kümmert sich um den Käse. Er hat unten 300 Laibe, die er pflegen muss. Leute, die das machen wollen, sind fast nicht zu kriegen. Wir haben Glück, wir haben einen jungen Mann gefunden, der die Verarbeitung übernehmen kann. Eine Zeitlang hat das mein Mann am Abend noch gemacht nach der Stallarbeit. Jetzt ist er bald 70, und er hat gesagt, er hat die Kraft nicht mehr dazu. Unten macht er es noch.

 

Früher war mehr los, wir haben uns gegenseitig zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Heute sind fix nur noch der Senn da und die Kühe. Die Decke fällt mir trotzdem nicht auf den Kopf, es gibt immer etwas zu tun. Ich fühle mich hier sehr wohl, es ist die Ruhe, und doch sind Menschen da. Ich habe viel Besuch, fast jeden Tag besucht mich jemand, und ich denke einfach: Das ist schön.“

 

Quelle: DerStandard (Doris Priesching, 21.8.2023) – siehe auch hier

Deine Meinung

  1. Wieso haben die Jungen keine Perspektiven? Heute ist doch alles möglich!! Schule , Lehre dann wieder Schule oder Matura, zwei Lehren nacheinander, lehrabbruch, schulabbruch, Schulwechsel usw. Auch Jobs gibt es jede Menge, mittlerweile auch solche die man kaum aussprechen kann. Auch die öffis sind mittlerweile so gut das man auch ans land kommt zum arbeiten/ schule!
    Das einzige wo vielleicht keine Perspektive da ist ist das Nachtleben im Wald.
  2. zu merklich positiveren Zeiten haben die Jungen schlechtere Perspektiven, im Vergleich zu vergangenen sehr schlechten Zeiten haben die Jungen hervorragende Perspektiven. Im Vergleich zu kriegsgebeutelten, unsicheren, verarmten Ländern haben sie wahrlich gute Perspektiven. im Vergleich zu klimatisch gesunden Jahrzehnten haben sie äußerst schlechte Perspektiven. Im Vergleich zu politisch stehengebliebenen unterdrückten Ländern haben sie sehr gut Perspektiven, im Vergleich zu den Bildungsmöglichkeiten, Gesundheits- und Sozialsystem anderswo haben sie wunderbare Perspektiven. Wenn sie in diesen Krisenzeiten eine gesunde Sichtweise, Mut und Anpassungsfähigkeit entwicklen können, falls man es ihnen vorlebt und mit ihnen darüber redet, schaffen sie das auch. Was auch mal heißen kann, freiwillig Rückschritte zu praktizieren, mit unterschiedlichen Sichtweisen und dem Wissen, dass es immer Möglichkeiten gibt, bei uns jedenfalls. Die Älteren sind aufgefordert, ihnen das vor-zu-leben, denn man kann die Perpektiven verlieren, wenn man jung ist. Einfach ist es nicht, aber zu schaffen, alle miteinander.
  3. die jungen haben wohl perspektieven, aber nur wenige sind so dass, sie sie nutzen
  4. Marlene, gönn es dir. Du hast es selber in der Hand, welche Medien und Annehmlichkeiten du in Anspruch nimmst. Wünsche dir eine wunderbare Zeit.
  5. Ich finde das wunderbar. Das würde ich mir auch mal wünschen so zu leben, ohne jegliche Medien usw. Man braucht nicht so viel um glücklich zu sein.
  6. die jungen haben nur wenig zukunftsperspektiven, da wird´s mit positivem sinne etwas schwer...
  7. toll was ein herrlicher bericht welcher doch super aufzeigt wie zufrieden man doch mit so wenig sein kann. wenn nur die heutigen generationen auch diese einstellung zum leben hätten. dann wäre das leben auf unserem planeten oft im miteinander und in der erwartungshaltung zum leben ganz anders. im positiven sinne natürlich