Skifahren in den Alpen vielerorts bald passé?

Auf diesen längeren Beitrag – erschienen in der NZZ (von Claudia Baer) – wurden wir von einem netten Egger hingewiesen.
Klimawandel: Skifahren kann man auch ohne natürlichen Schnee – was es wirklich braucht, sind Geld und politischer Wille

 

Ist Schneesport in unserem Land, in dem es immer wärmer wird, bald passé? Überhaupt nicht, meinen jene, die auf Schneekanonen und perfekt präparierte Pisten bauen. Die Frage ist, welchen Preis wir für diese Kunstlandschaften zu zahlen bereit sind.

 

Es klingt nach Endzeitstimmung: «Der Schnee in der Schweiz zieht sich zurück», «Den Wintertourismus ganz aufgeben?», «Hitzesommer und nur noch halb so viel Schnee» – so lauten einige der düsteren Schlagzeilen der letzten Jahre. Fakt ist: Es gibt zusehends weniger von der weissen Pracht in unserem Land, die Nullgradgrenze im Winter ist um 400 Meter gestiegen, laut Klimaszenarien könnten die Wintertemperaturen bis Mitte Jahrhundert um 2 bis 3,5 Grad in die Höhe klettern, die Nullgradgrenze um weitere 400 bis 650 Meter.

 

Das hat Folgen für den Wintertourismus, ganz besonders, wenn der Schnee an Weihnachten, Neujahr und in den Sportferien fehlt, jener Zeitspanne, die für Wintersportorte eine zentrale Einnahmequelle darstellt. Ohne Schneekanonen wäre die Lage noch bedeutend trister. Die grossen Skifeste in Wengen und Adelboden könnten ohne diese technischen Hilfsmittel gar nicht mehr durchgeführt werden. Bedeutet der Klimawandel das Aus für das Schneesportland Schweiz?
Kein unmittelbarer Niedergang

 

Christian Laesser, Professor für Tourismus und Dienstleistungsmanagement an der Universität St. Gallen, dementiert energisch: «Der Wintersport in der Schweiz ist mitnichten am Ende.» Zum einen sei es «ein sehr langsamer Prozess», bis man hierzulande nicht mehr Ski fahren könne, zumindest im mittel- und hochalpinen Gebiet. Ausserdem habe sich die Zahl der Skitage in den letzten Jahren stabilisiert. Von einem «unmittelbaren Niedergang» könne keine Rede sein. Deshalb sei es angesichts der «gut planbaren Investitionszyklen» immer noch sinnvoll, in den Skitourismus und in die qualitative Weiterentwicklung von Bergbahnen zu investieren, wenn auch nicht unbedingt überall im voralpinen Raum.

 

Die künstliche Beschneiung, ohne die es vielerorts nicht mehr geht und die aus ökologischen Gründen teilweise massiv in der Kritik steht, macht Laesser dabei wenig Sorgen: In der Schweiz würden knapp 50 Prozent der Pisten beschneit, in Österreich dagegen seien es in gewissen Regionen 70 bis 80 Prozent – «da ist unser Land privilegiert». Zudem seien Wasser und Energie – die beiden zentralen Bestandteile, die es zur Herstellung von technischem Schnee braucht – in unserem Land ausreichend vorhanden.
Lebensgrundlage für Berggebiete

 

Also alles kein Problem mit dem Klimawandel? Laesser räumt ein, dass die Hilfsmassnahmen wie Schneekanonen und das Präparieren der Pisten ihren Preis haben. Entsprechend teuer ist das Skifahren als Sport. Hinzu kommt, dass junge Leute weniger Ski fahren als noch vor einigen Jahrzehnten, einerseits, weil viele Menschen mit Migrationshintergrund zum Schneesport keinerlei Bezug haben, andrerseits, weil es manch andere Freizeitaktivitäten als Alternativen gibt. Dennoch ist der Fachmann zuversichtlich. Die Branche sei im Nachgang zum Euro-Franken-Schock schlank und damit gut aufgestellt, ausserdem gebe es wieder mehr ausländische Touristen, die zum Skifahren in die Schweiz kämen: «Die Zahl der Skifahrer weltweit ist stabil oder sogar steigend.»

 

Zentral für den Experten ist aber auch der regionalpolitische Aspekt. Der Skisport und mit ihm die Bergbahnen seien in absehbarer Zukunft die «wichtigsten Treiber für die Entwicklung im alpinen Raum» und damit die Lebensgrundlage für die Berggebiete. Die Entwicklung von Alternativen brauche Zeit. Wenn den Menschen, die dort lebten, das Auskommen fehle, so könnten sie nicht einfach mal wegziehen. Mit Ratschlägen wie «es braucht halt Innovationen» mache man es sich zu einfach, kritisiert Laesser. Und auch das Ausweichen auf den Sommertourismus sei nur begrenzt eine Lösung, weil dieser punkto Wertschöpfung wohl als immer wichtigere Ergänzung zur besseren Auslastung teurer Kapazitäten, nicht aber als Ersatz für den Wintertourismus tauge.

 

Heisst das weitermachen wie bisher, solange es eben geht?
Es tut sich eine Schere auf

 

Etwas andere Akzente setzt Laessers Kollege von der Universität St. Gallen, der Geograf Bruno Abegg, der die Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus untersucht. Natürlich sei Ski fahren immer noch reizvoll, aber die Herausforderungen in tieferen Lagen seien angesichts der anhaltenden Erwärmung klar grösser geworden, urteilt Abegg. Das Risiko, in den Winterferien wegen Schneemangels einen Flop zu erleben, steige und führe dazu, dass sich der Gast, einmal enttäuscht, vermehrt nach Alternativen umsehe. Dies sei auch belegt durch die Tatsache, dass die Zahl der Skitage in der Schweiz trotz der stetig wachsenden Bevölkerung stagniere.

 

Keine Probleme sieht der Geograf für Skiorte in der «Topliga», wie er sie nennt, etwa Zermatt. Diese Destinationen mit zahlungskräftigen Gästen könnten sich moderne Beschneiungsanlagen, Pistenpräparation und luxuriöse Transportanlagen leisten, wie sie die internationale Konkurrenz biete. Doch für viele andere Skigebiete – so etwa im Glarnerland oder im Kanton Freiburg – sei das nicht realistisch, weil das Geld fehle. In diesen Fällen springe inzwischen immer häufiger die öffentliche Hand mit Subventionen ein, um alte Bahnen zu erneuern und Schneekanonen anzuschaffen. Hier tut sich laut Abegg zunehmend eine Schere auf. «Die Frage, ob auch unrentable Skigebiete erhalten werden sollen, ist dann nicht mehr eine des Klimas, sondern der Politik», bringt er es auf den Punkt.
«Von der Natur entkoppelt»

 

Die Aussage erscheint auf den ersten Blick grotesk, doch es ist eine Tatsache: Ski fahren kann man heute auch dort, wo es nur noch wenig oder fast keinen natürlichen Schnee mehr hat – die Technik macht es möglich. «Der Schneesport hat sich von der Natur entkoppelt», sagt Abegg dazu. Die Schneebänder, die sich durch grün-braune Landschaften schlängeln, machen die Entwicklung augenfällig.

 

Für einen Kubikmeter Schnee benötigt die Schneekanone 400 bis 500 Liter Wasser. Wohl gebe es übers Jahr in unserm Land insgesamt genug Wasser hierfür, ergänzt Abegg. Im Gegensatz zu Laesser fügt er indes hinzu: «Aber nicht an jedem Ort und zum richtigen Zeitpunkt.» Deshalb würden, wo Bedarf besteht, künstliche Seen, sogenannte Schneiteiche, gebaut, in denen man das Wasser sammelt – eine teure Angelegenheit. Geradezu extreme Ausmasse hat der Einsatz der Technik inzwischen bei den grossen Skirennen angenommen, wie etwa am Lauberhorn. Sie sind denn auch enorm kostspielig. Ob eine Tourismusregion als Ganzes von solchen Anlässen auch dann noch profitiert, wenn diese selber defizitär sind, ist ein anderes Thema.
Wollen wir das überhaupt?

 

Für Abegg geht es um eine Grundsatzfrage: Wie viel Wintertourismus wollen wir künftig, und wie viel ist er uns wert? Mit genügend Geld kann man dem Klima ein Schnippchen schlagen und noch lange auch dort Skizirkus veranstalten, wo es im Zeichen des fortschreitenden Klimawandels natürlicherweise gar nicht mehr möglich wäre. Aber will das der Schneesportler, der das «echte» Winter-Erlebnis sucht? Und ist der Steuerzahler bereit, das zu berappen?

 

Diese Fragen werden zurzeit in diversen Regionen der Schweiz intensiv und kontrovers diskutiert, wie Abegg aus seiner beruflichen Tätigkeit weiss. Heute stünden sich zwei unversöhnliche Lager gegenüber: Die einen sind der Ansicht, dass der Mensch möglichst wenig in die Natur eingreifen sollte, und befürchten weitere Umweltschäden, für die anderen stellt der Wintertourismus die Existenzgrundlage dar, und sie warnen vor der Entvölkerung der Berggebiete. Diese beiden Positionen seien fast unvereinbar, hält der Geograf fest. Und: «Leider sind bereits Diskussionen hierüber kaum mehr möglich.»

Deine Meinung

  1. Gut, wenn es eh nur etwas wärmer wird, wo liegt dann das Problem? In der Karibik hat es auch keinen Schnee und die Touristen kommen trotzdem in Massen. Die Seilbahnen und Sessellifte können dann das ganze Jahr die Touristen in die Berge karren. Warum muss es die Tanne oder die Fichte sein? Tropische Hölzer sind auch wertvoll. Wir müssen uns nur anpassen. Wenn wir das nicht schaffen, dann sterben wir halt aus, was auch kein Drama wäre, denn die Welt dreht sich auch ohne uns weiter. Es lässt sich eh nicht verhindern, so wie wir einmal gekommen sind, werden wir auch wieder verschwinden. Das können auch die selbst ernannten Weltuntergangspropheten nicht verhindern. Die Erde hat sich immer schon verändert und schon tausende Tier- und Pflanzenarten sind ausgestorben, da sie es nicht geschafft haben, sich anzupassen.
  2. super auf den Punkt gebracht - gut erkannt und super reflektiert
  3. Die Welt wird nicht untergehen, sie wird nur wärmer. Fragt mal z.B. den Skilift Tannerberg in Alberschwende, wie sich die Schneelage in den vergangenen 30 Jahren entwickelt hat...
  4. Klimawandel wird uns treffen. Ich habe weder Vertrauen in unsere Politik noch in die Bevölkerung, dass genug unternommen wird um den Klimawandel zu stoppen. Und unsere neue Regierung scheut sich vor jeder Maßnahme im Klimabereich, die irgendjemanden weh tun könnte.
  5. Warum driftet eine Diskussion immer in einfache Pauschalurteile ab? Warum diskutieren wir hier nicht über die Aussagen der beiden Schweizer Wissenschaftler? Das ist ein höchst politisches Thema in Wirklichkeit. Hat der Wintertourismus in Zukunft eine Chance? Wenn nicht, wie könnte da der Wandel aussehen? Inwieweit sollte sich da die Politik einmischen?
  6. Früher haben die Zeugen Jehovas den Weltuntergang verkündet. Jetzt machen das die Weltuntergangspropheten im grünen Gewande.
  7. Genau: genug seröse Wissenschaftler, die nicht von irgendwelchen Fördertöpfen abhängig sind - das wäre der IPPC.
    Aigner hat Sportwissenschaft und Wirtschaftspädagogik studiert - ich weiß nicht, warum ihn das zu einem seriösen Experten in Klimafragen machen soll!
    Abgesehen davon arbeitet Aigner im Auftrag des Tourismus! Das hat nichts mit unabhängiger Darlegung der Fakten zu tun! Lieber Ferdl, du merkst wie wie so viele nicht, dass du dich von der Tourismusbranche hinters licht führen lässt...
  8. Wenn mit hinterfragen uferloser Ausbau des Wintertourismus gemeint war,bin ich absolut
    auch dagegen.Wollte eigentlich nur aufmerksam machen,daß uns aufgrund der dargelegten Daten
    und Fakten keine unmittelbare Klimaapokalypse
    bevorsteht.Dieses Horrorszenario wird uns ja
    jeden Tag von fast allen Medien und Politikern suggeriert.Es darf doch hinterfragt werden,wenn genug seriöse Wissen-schaftler,die nicht von irgenwelchen Fördertöpfen abhängig sind,dieses Szenario anzweifeln.Unser Planet hat nachweislich die letzten zig tausend Jahre schon viel höhere
    Temperatur und Co2 Werte gehabt und wie man sieht,hat sich die Evolution immer angepasst.
    Es muß natürlich ein Umdenken stattfinden zwecks Resourcenverbrauch,Müllvermeidung,Energieverbrauch etc.Aber das hat mit Klima nichts zu tun!Ich bin jedenfalls der Meinung,daß die Angst und Panikmache nicht vorteilhaft ist.
    Wann merkt das Volk eigentlich,daß diese ganze Hysterie nur der Umverteilung unermesslich großer Geldströme dient.
  9. Ahh. Ok. Er leugnet ja nicht den klimawandel, sondern sagt nur, dass in den letzten 120 jahren in den alpenregionen die temperatur im sommer im vgl zum winter doppelt soviel zugenommen hat. Naja, für mich klang alles plausibel.
  10. Ich vertraue dem Urteil des IPCC (UN-Klimarat bestehend aus 840 Wissenschaftler aus 38 Ländern) weit mehr als dem Video eines ehemaligen Tourismusmarketing-Vertreters (Aigner war Leiter des Tourismusverband „Kitzbühel Tourismus”) auf einer Internet-Verschwörungsplattform.

    Ich habe auch den hanebüchenen Blödsinn von Herrn Aigner "Eine Analyse amtlicher Temperatur- und Schneemessreihenaus Lech, Zürs, Warth und Schröcken" gelesen, in welchem er in Zusammenarbeit mit Forum Zukunft Skisport die Messdaten sehr eigenwillig interpretiert.
  11. @Ferdl:Der Vortrag stammt von dem Tiroler Günther Aigner und nicht von Nuoviso. Bei der Videobeschreibung steht auch einiges über diesen Herrn Aigner drin. Hast du das Video überhaupt gesehen?
  12. Aber damit es uns ja immer besser gehen soll, bitte Hotellerie und Skigebiete weiter ausbauen...
  13. Schaut unter You Tube:
    Klimawandel Österreich Winter seit 1895
    S e h r interessanter Beitrag!!!