Kuno meets FAQ – Was ist Kunst? VS Schwarzenberg
Wir von KUNO schauen uns anlässlich des FAQ-Festivals von den Kindern etwas ab: Wir trauen uns, zu fragen! Und zwar: Was ist eigentlich Kunst?
Denn ganz oft wird Kunst einfach hingenommen, obwohl sich die meisten sicher schon mal still und heimlich gefragt haben, warum denn das jetzt Kunst ist? Man hat vielleicht Sorge, als ungebildet dazustehen, weil man es nicht versteht oder wird sogar fast schon wütend, weil da irgendetwas als teure, tolle Kunst deklariert wird, was jetzt doch wirklich jeder machen könnte…
Kunst ist tatsächlich oft unklar. Immer wieder passiert es zum Beispiel, dass Reinigungskräfte in Museen Kunstwerke einfach entsorgen oder versehentlich kaputt machen. Ein bekanntes Beispiel ist die „Badewanne“ des deutschen Künstlers Joseph Beuys. Zwei Hausmeister reinigten die ausgestellte Wanne, die mit einer Fettecke und Mullbinden versehen war und richteten damals – 1973 – einen geschätzten Schaden von 80 000 DM an.
„Kunst zu hinterfragen, ist mutig und erfrischend“, war die Reaktion von Künstlern auf unsere Frage. „Und sie zu beantworten, ist gar nicht leicht.“ Die Bregenzerwälderin Melanie Berlinger hat es in unserem Interview aber ganz gut geschafft, wie wir finden. Sie hat an der Universität für angewandte Kunst und an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert, ist freischaffend künstlerisch tätig und unterrichtete Kunst an höheren bildenden Schulen in Wien und Vorarlberg. Ihr künstlerischer Schwerpunkt liegt in der Zeichnung und der Druckgrafik.
Melanie, was ist Kunst?
Das ist eine Frage, die nicht leicht zu beantworten ist und es gibt mit Sicherheit keine allgemeingültige Antwort. Kunst ist von Menschenhand geschaffen und der Grundbaustein jeder Zivilisation – es gibt keine bedeutende Kultur oder Gesellschaft die ohne Kunst auskommt. Auch die Zeit bzw. die unterschiedlichen Epochen spielen bei dieser Frage eine große Rolle. Im Verlauf der Geschichte nehmen Kunstwerke alle möglichen Formen an und dienen unterschiedlichen Zwecken. Der Kanon dessen, was als künstlerisch ansprechend gilt, unterliegt stetigem Wandel abhängig vom jeweiligen Zeitgeist. Die Frage „Was ist Kunst?“ muss also ständig wieder neu gestellt/beantwortet werden. Zum Beispiel der Heuschober von Claude Monet: Monet malte davor sehr realistisch – als er sich dem Impressionismus zuwandte, verschlechterte sich seine finanzielle Situation massiv. Seine ersten impressionistischen Gemälde wurden von den Kritikern nicht ernst genommen bzw. als schlechte Kunst eingestuft. Heute ist sich der Großteil der kunstaffinen Welt einig, dass es sich um Meisterwerke handelt. Oder die „Brillo“ Boxen des Designers James Harvey: Sie wurden von Andy Warhol zur Kunst gemacht. Für die Einen nur eine Box – für die Anderen Kunst. Und noch ein Beispiel: Graffiti ist mittlerweile am Kunstmarkt akzeptiert und etabliert und wird teilweise zu Höchstpreisen verkauft. Zuerst nur außerhalb des Systems angesiedelt – jetzt vom System aufgekauft.
Kunst ist ja auch eine Sprache, die erstmal verstanden werden muss.
Kunst ist die Sprache/das Kommunikationsmedium der KünstlerInnen – diese möchten kommunizieren. KünstlerInnen entwickeln eine eigene Bild(sprache), wobei sie nicht sicher sein können, dass diese vom Publikum/von den BetrachterInnen verstanden/gesprochen wird. Je schwieriger/absurder diese Sprache gewählt wird, desto größer ist die Chance, dass sie ein Erfolg wird?! In dem Moment, in dem die KünstlerInnen es schaffen, eine neue, decodierbare Symbolsprache in ihren Werken umzusetzen, haben sie also höhere Erfolgschancen. Diese Sprache war noch nie da und stellt etwas Neues dar. Oftmals verschließt sich Kunst heute dem Verständnis von Menschen auf den ersten Blick. Die verschiedenen Bezüge und Zitate sind nur lesbar, wenn man über entsprechendes kulturelles Wissen verfügt, da sich der Fokus in der Kunst hinter das Bild hin zur Idee verschoben hat.
Gibt es objektive Kriterien, Kunst zu beurteilen?
Folgend ein Versuch von mir, Kriterien zusammen zu tragen – wobei zu beachten ist, dass nicht immer alle dieser Kriterien erfüllt werden müssen. Vielleicht stoße ich auch irgendwann auf ein Kunstwerk, das keine dieser Kriterien erfüllt und ich es dennoch als Kunst empfinde. 1. Ein Kunstwerk ist von Menschenhand geschaffen. 2. Es ist an den jeweiligen Zeitgeist/die jeweilige Epoche gebunden und kann nur im Kontext seiner Zeit gedacht und verstanden werden. 3. Es muss eine Kommunikation zwischen dem Kunstwerk und den BetrachterInnen stattfinden, das Kunstwerk muss in den Betrachtenden etwas auslösen. 4. Es werden künstlerische Medien/Werkzeuge zur Herstellung verwendet: Von der Videokamera bis hin zum Pinsel oder einem menschlichen Körper bei einer Performance. 5. Das Kunstwerk ist einreihbar in eine Kunstrichtung/Gattung wie z.B. Druckgrafik, Installation etc. Die Frage danach, ob etwas schön ist oder nicht spielt in der zeitgenössischen Kunst keinerlei Rolle bzw. würde diese Frage zu kurz greifen. Der Begriff der Schönheit müsste dann auch zuerst allgemeingültig formuliert werden, was eine unmöglich zu lösende Aufgabe darstellt.
Vielmehr kann der jeweilig vorherrschende Kunstbegriff als eine Position zur aktuellen Ästhetik verstanden werden: Ästhetik bedeutet „Lehre von der Wahrnehmung“ bzw. „Lehre vom sinnlichen Anschauen“. Ästhetisch ist demnach alles, was unsere Sinne bewegt, wenn wir es betrachten: Schönes, Hässliches, Angenehmes und Unangenehmes. Diese Positionen der Ästhetik wandeln sich ständig. Bei den Griechen ging es darum, die Wahrheit zu vervielfältigen und um einen stark naturalistisch geprägten Realismus – Idealbilder wurden umgesetzt. Symmetrie, Ausgleich, Harmonie – der Mensch im Gleichgewicht, unabhängig von ruhigem Stand oder bewegter Aktion. Der heutige Kunstbegriff ist meilenweit davon entfernt und Idealbilder werden stets als Kritik eingesetzt.
Dazu gibt es ein passendes Zitat von Pablo Picasso:
„DIE MALEREI IST NICHT ERFUNDEN WORDEN, UM WOHNUNGEN AUSZUSCHMÜCKEN.“
Die Bewertung, was gute oder schlechte Kunst ist, kann und darf dennoch jeder für sich selbst treffen. Spricht die Kunst mich an? Bewegt sie mich? Das ist subjektiv. Aber es gibt einen Kunstmarkt. Und da fließen oft Millionenbeträge. Wer definiert in diesem Bereich, was gute und schlechte Kunst ist?
Das Kunstsystem funktioniert nach seinen eigenen Regeln und ist ein Netzwerk verschiedener Akteure: KünstlerInnen, GaleristInnen, Auktionshäuser, KunsthändlerInnen, private SammlerInnen und Museen. Es gibt spezielle Künstlerindexe die versuchen, den Erfolg von KünstlerInnen zu messen – Kunst ist mehr zu einer Ware bzw. einem Spekulationsobjekt geworden als es jemals zuvor war. Früher bestimmten Museen und KritikerInnen was gute Kunst ist, heute findet eine Verschiebung statt. Vor allem KunstsammlerInnen besitzen im Kunstmarkt eine größer werdende Macht. Ich denke, die Qualität von Kunst ist nicht messbar. Messbar ist nur der finanzielle Erfolg einer Künstlerin/eines Künstlers und der wiederum ist das Ergebnis professioneller Vermarktung. Auf dem Kunstmarkt begründet der Verkaufswert die Qualität. Ich persönlich versuche immer den Markt nur als einen kleinen Teilbereich der Kunstwelt zu verstehen. Nur die wenigsten KünstlerInnen profitieren von diesem hochpreisigen Kunstmarkt. 95% aller Kunstschaffenden können nicht von ihrer Kunst leben. Und eine deutsche Studie belegt, dass weltweit auch nur 5% aller AbsolventInnen von Kunst-Universitäten von ihrer Kunst leben können. Wenn KünstlerInnen Werke zu Höchstpreisen verkaufen, heißt es noch lange nicht, dass sie zwingend gute Kunst produzieren. Abseits dieses Markts gibt es Museen, kleine Galerien, Residencies, Stipendien, Kunstvermittlung etc. Ideale und Prinzipien der Kunst werden höchstens pro forma verkündet, in Wirklichkeit geht es um die Interessen derer die mehr Geld, mehr Macht und mehr Erfolg haben als Andere. Hier wird mit dem Reichtum provoziert nicht mit der Kunst. Zum Glück ist dieser Kunstmarkt der Superreichen nur ein ganz kleiner Teil des Kunstbetriebes und Kunst muss nicht nur für diesen Markt funktionieren. Diejenigen die es in den Kunstmarkt der Superreichen hineinschaffen, haben auch ganz viel Glück und Zufälle spielen eine Rolle. Mit reinem Können oder einem guten Konzept hat das nichts mehr zu tun. Galeristen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Mit ihrer Vision und Aufbauarbeit positionieren sie die KünstlerInnen auf dem Kunstmarkt. Der nächste Schritt sind die Messen, mittlerweile gibt es 270 Kunstmessen weltweit. Um auf dem globalen Markt mithalten zu können, muss ein/e KünstlerIn dort präsent sein. Für die Positionierung einer Künstlerin/eines Künstlers auf dem Kunstmarkt spielen weitere Faktoren eine Rolle: Statustransfer – in welcher Galerie stellt der/die KünstlerIn aus? Welche/r KritikerIn schreibt über die/den KünstlerIn, welches Museum hat angekauft? Das Renommee in der Fachwelt ist also ausschlaggebend über den Erfolg von Kunstschaffenden. Haben sie sich als Marke etabliert, können sie produzieren was sie wollen. – Der Erfolg ist ihnen sicher.
Warum ist es keine Kunst, wenn ich scheinbar das Gleiche mache wie Künstler (kaputte Vasen aufstellen, schwarze Quadrate malen….)?
Kein abgeschlossenes Kunststudium. Der Kunstmarkt hat dir noch keine Rolle im Kunstsystem zugeteilt, du hast noch keine Marke etabliert etc. Als Autodidaktin ist es eher schwer. Subjektiv kann es aber natürlich als Kunst wahrgenommen werden.
Der deutsche Künstler und Kunsttheoretiker Joseph Beuys sagt:
„JEDER MENSCH IST EIN KÜNSTLER.”
Kurze Zusammenfassung: Kunst bleibt etwas Subjektives. Aber gutes Marketing kann Kunst zu sehr teurer Kunst machen und was als gute bzw. schlechte Kunst angesehen wird, ist auch eine Zeitgeisterscheinung. Objektive Indikatoren können aber sein: Gutes Handwerk und überlegte Botschaften. Damit Kunst nichts vorwiegend Elitäres bleibt, ist es uns von KUNO ein Anliegen, dass auch schon Kinder von Anfang an ein Selbstverständnis für Kunst und Kultur entwickeln. Deshalb haben wir gemeinsam mit Melanie Berlinger beim FAQ einen Workshop für Kinder veranstaltet. Was hast du, Melanie, mit den Kindern zusammen gemacht?
Wir haben einen kurzen Einblick in die Kunstgeschichte bekommen – ausgehend von der Höhlenmalerei bis hin zu zeitgenössischen Kunstformen wie z.B. Performances, Konzeptkunst und Installationen. Bei der Betrachtung dieser Werke ist uns aufgefallen, dass sich bestimmte zeichnerische, malerische Gesten immer wieder wiederholen bzw. zum Teil auch bewusst zitiert werden. Wir haben diese Elemente aufgegriffen und in einem großen Materialdruck umgesetzt – also z.B. Punkte, geschwungene Linien, geometrische Flächen etc. und zu einer eigenen Bildkomposition zusammen gefügt. Wir entwickelten anhand von unseren Beobachtungen und Zitaten ein eigenes Werk – eine eigene Interpretation der sich ständig wiederholenden Geschichte.
Und warum ist das jetzt Kunst?
Wir haben eine ganze Menge der zuvor genannten Kriterien erfüllt. 1. Das Werk ist von Menschenhand geschaffen. 2. Wir können es in unserem Entstehungskontext lesen/deuten und auch anderen erklären. 3. Wir machen das Werk BetrachterInnen zugänglich. 4. Wir haben ganz viele unterschiedliche Werkzeuge verwendet (Farbe, Schwämme, Roller etc.) und damit Farbe auf das Medium Leinwand aufgetragen. 5. Das Kunstwerk ist irgendwo zwischen Druckgrafik und Malerei einordenbar.Hinzu kommt, dass diese Arbeit schon bevor sie entstanden ist in einen künstlerischen Kontext gestellt wurde. Es konnte ja fast nichts anderes als Kunst dabei rauskommen. Das Ganze wurde als KUNO Kinder-Kunst-Workshop angekündigt, Kinder wurden dazu eingeladen, Kunst mit einer Künstlerin zu produzieren.
Vielen Dank! Allen BetrachterInnen bleibt nun selbst überlassen, unser KUNO-Kunstwerk für sich einzuordnen. Wir hoffen, wir haben Ansätze mitgegeben, wie man Kunst besser verstehen kann und wie man Kunst durchaus hinterfragen soll.
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KunoDeine Meinung
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Cool, was die jungen Leute hier gemacht haben.